Die Architektur der Maya




Schon Diego de Landa war von der Baukunst der Maya beeindruckt. In seinem Bericht "Relación de las Cosas de Yucatán" schrieb er: "...denn gerade die Bauwerke und ihre Vielzahl sind das Bedeutsamste, was man bis heute in den Indias entdeckt hat, weil sie so zahlreich sind, sich an so vielen Orten befinden und in ihrer besonderen Art so gut aus Quadersteinen errichtet wurden, daß es in Erstaunen setzt ...".
Doch der Architektur der Mayazentren, die Landa sah, ging eine lange Entwicklung von der einfachen Holzhütte bis zu den großen steinernen Zeremonialzentren voraus. Die Maya haben in 2000 Jahren eine ganz eigene Architektur hervor gebracht. Ebenso wie es trotz der regionalen Abgrenzung zu einem Austausch mit dem restlichen Mesoamerika kam, behält die Mayaarchitektur viele eigene Merkmale bei.
Seit Beginn der Mayakultur kommt es immer wieder zu Einflüssen auf die Mayazivilisation. Bei der La Venta Kultur (Olkmeken) den Vorgängern der Maya tauchen die ersten Ballspielplätze auf, Erdhügel als Zeremonialzentren und die Aufstellung von Skulpturen findet statt. Um 300 n.Chr. bis zum Ende der Frühklassik (600 n.Chr.) macht sich besonders im Tiefland ein starker Einfluß durch die Stadt Teotihuacán, Zentralmexiko, bemerkbar. Ausgangspunkt war die Eroberung der Stadt Kaminalyuyú im Hochland der Maya um 335 n.Chr.. Gerade hier ist die von ihnen eingeführte Talud-Tabolereo-Bauweise stark vertreten. Hierbei handelt es sich um die Gliederung der vertikalen Außenfassaden der Pyramidenstufen in abwechselnd schräge Ebenen und senkrechte Rahmenfelder.



Abb.1: Skizze der Talud-Tabulero-Bauweise aus Teotihuacan



In der Nachklassik zeigen sich in Yucatán immer stärkere Einflüsse aus dem Hochland von Mexiko. Am deutlichsten sind sie in Chichén Itzá sichtbar. Die Stadt ist geprägt durch horizontale Holzbalken-Mörtel-Dächer, Säulenhallen und mehrschiffige Tempel.
Trotzdem bleibt die Architektur der Maya etwas einzigartiges in ganz Mesoamerika. Überall wird das gleiche Baumaterial, Stein und Mörtel, verwendet. Einmalig bleibt auch das falsche Maya-Gewölbe und das Wechselspiel von großen Massen und umgrenzten Plätzen auf unterschiedlichen Höhenniveaus. Ebenfalls sehr typisch, allerdings für alle Mesoamerikanischen Kulturen, ist das Überbauen von Sakralbauten. In regelmäßigen Abständen werden alte Bauwerke zugeschüttet, ummantelt und mit größeren Anlagen überbaut.


Abb.2: Nachbildung des Tempels Rosalila aus dem Copán Museum


Dieser Tatsache verdanken wir einige interessante Einblicke in frühe Zeit der Mayazivilisation. Durch Tunnelgrabungen konnten Archäologen schon oft alte Tempelanlagen entdecken und untersuchen. Da sie durch die Überbauung gut geschützt waren, sind sie oft unbeschädigt und gut erhalten. Der alte Bau im Castillo von Chichen Itzá und der 1992 unter dem Tempel 16 in Copán ausgegrabene Struktur Rosalila (ihre Stuckbemalung und die 12 m hohen Reliefs sind noch erhalten) sind hierfür ein gutes Beispiel.

(zum Seitenanfang)

Baumaterial

Das Grundbaumaterial ist überall im Mayaland gleich: Stein, Mörtel und Holz. Geologisch gesehen besteht das ganze Mayaterritorium aus Kalkgestein, das somit das Hauptbaumaterial darstellt. Aus Kalk gewinnen die Maya nicht nur ihre Steine, sondern auch den Mörtel zum Verbinden und Ausfüllen der Bauten. Da der Kalk, so lange er nicht der Luft ausgesetzt ist , weich ist und sich leicht bearbeiten läßt, ist die Gewinnung von großen Kalksteinen für Gebäude oder Stelen trotz der Steinwerkzeuge für die Maya kein Problem. Wir dürfen allerdings bei den großen Leistungen in Kunst und der Astronomie nicht vergessen, daß die Maya ein Steinzeitvolk waren, die weder Rad noch Metallwerkzeuge besaßen.


Abb. 3: Gewinnung großer Steinblöcke (nach Morley)




Große Blöcke, wie z.B.: für Stelen wurden zuerst von allen Seiten durchgeschlagen mit Gräben rundrum freigelegt. Nach dem seitlichen Abgrenzen, begann unter dem Block, ausgehend vom Boden des Grabens, der Horizontalschnitt. Lag der Stein frei zogen ihn dutzende von Arbeitern auf Holzrollen heraus. Nach dem Freilegen trocknete der Kalk und wurde hart und spröde. Mit der Zeit nimmt der kristalline Kalkstein aus der Gegend von Uxmal eine warme, elfenbeinrosa getönte Farbe an. Das härteste Gestein im Mayagebiet wurde in Copán verarbeitet, grüner Trachyt (Eruptivgestein).
Mindestens ebenso wichtig ist die Gewinnung von Brandkalk aus dem der Mörtel, der die Gebäude der Maya zusammenhält, hergestellt wird. An Hand der ersten Gebäudeplattformen aus der frühen Präklassik (2000-900 v.Chr.) läßt sich beweisen, daß die Maya schon vor unseren Zeitrechnung wußten wie Kalk gebrannt wird. Wie sie ihren Kalk brennen, können wir heute noch im ganzen Mayaland sehen. Sie häufen sorgfältig Rundhölzer und Reisig zu einem mannshohen zylindrischen Bau von 4 -5m Durchmesser auf. Auf diesen Haufen wird eine 60-70 cm dicke Schicht Kalkstein in Form von zerkleinerten Kieseln gelegt. Beim Herausziehen einer in der Mitte senkrecht im Kalk steckenden Holzstange entsteht ein Schornstein, der den Luftzug durch die Kalkmasse erleichtert. Ein Stück Kohlenglut, die in den Schornstein geworfen wird entzündet das Holz. Das Brennen an sich dauert einen ganzen Tag und zum Schluß bleibt der Kalk als weißes Puder am Boden liegen.

Abb. 4: Darstellung der Kalkherstellung der Maya



Nun mußten nur noch zerkleinerte Steine und Wasser dazugegeben werden und der zum Bau benötigte Beton war fertig. Da im Mayaland Sand (außer an den Küsten) selten ist, wurde der zur Mörtelherstellung benötigte Sand durch Mergel ersetzt. Der Stuck, der überall die oberste Schicht bildete und für Verzierungen benötigt wurde, wurde mit Hilfe von besonders feinem Kalk, Wasser und pflanzlichen Gummisaft (hält alles im Schwebezustand) hergestellt. Im feuchten Zustand läßt er sich hervorragend bemalen (Fresken) und erreicht beim aushärten eine dem Stein gleichkommende Härte. Nun läßt er sich auch glatt polieren. Leider reagiert er sehr schlecht auf Feuchtigkeit und so haben sich die wenigsten Stuckreliefs unbeschädigt im feuchten tropischen Klima erhalten.
Ein weiteres Baumaterial der Maya war Holz. Nicht nur beim Bau der einfachen Holzhäuser der Landbevölkerung, sondern auch im Städtebau wurde es genutzt. Es wurden großen Türöffnungen mit Holzbalken überspannt und diese oft auch reichhaltig verziert. Auch bei der Gewölbekonstruktion fanden es Verwendung. Es wurde während des Baues als Stützbalken eingezogen und nach Aushärtung des Mörtel wieder entfernt, manchmal auch einfach an Ort und Stelle belassen. Verwendung fanden harte Tropenhölzer wie die des Zapote-Baums. Obwohl die Hölzer tragfester als die Steinkonstruktionen waren und ihre Bearbeitung gleichfalls schwieriger ist sind sie aus heutiger Sicht der Schwachpunkt der Mayabauten. Viele sind durch Verwitterung und Termitenfraß beschädigt oder ganz verschwunden und damit findet meist auch ein Einbrechen der gestützten Gebäudeteile statt.

(zum Seitenanfang)

Die "Versteinerung"

Mit dem Aufstieg von der Dorfkultur zum Königreich wurden aus den hölzernen Hütten steinerne Paläste und Pyramiden mit Hochtempeln. Ausgangspunkt dieser Entwicklung waren die einfachen Maya-Hütten. Sie hatten die Form eines langgestreckten Rechtecks, das an den Schmalseiten meist abgerundet war. Ein Walmdach [1] wird von einer hölzernen Pfostenkonstruktion getragen, die Wände bestehen aus einem Flechtwerk mit Lehmbewurf, oder senkrechten dünnen Holzpfosten, oder einem dünnen Feldsteinmauerwerk mit Lehmputz. Sie haben keine Fenster, sondern nur Türen an den Längsseiten. Zum Schutz gegen Bodenfeuchtigkeit und den starken Regenfällen im tropischen Klima sind sie auf niedrigen Plattformen aus Stein und Erde errichtet. Diese Bauform hat sich bis heute gehalten, die Nachfahren der Maya leben noch heute in solchen Häusern.

Abb. 5: Ein Wohnhaus im heutigen Maya-Gebiet


Ein naheliegender Gedanke ist es das auf der Plattform stehende Wohnhaus als Vorbild für den Hochtempel zu sehen. Tatsächlich läßt sich dieses durch einige Funde belegen. Unter neueren Bauten sind alte Pyramiden gefunden worden mit Pfostenlöchern, wie sie für die hölzerne Konstruktion der Häuser genutzt wurden. Der nächste Schritt waren Tempel mit steinernen Wänden und Walmdächern, schließlich entstanden mit den Kraggewölbe auch die Dächer aus Stein. Auf Grund dieser Entwicklung und der Tatsache, das sich die Maya mit der weiteren Verbesserung dieser Konstruktionen (kein richtiges Gewölbe, immer kleine den Hütten ähnliche Grundrisse,...) sehr schwer taten, sprechen wir von einer "Versteinerung" der Mayahütte.

Bei der Entstehung der steinernen Architektur entwickelte sich aus den niedrigen Hausplattformen 2 neue Bauelemente:
· die Pyramide
· und die großen Plattformen

Die Plattformen bilden ein hohes, massives und sorgfältig mit stucküberzogenes Podest, auf dem die einzelnen Bauten wie auf einem Tablett angeordnet sind. Damit wird der ganze Ort aus der Umgebung heraus gehoben und der Welt entrückt.
Bei aller Weiterentwicklung und "Versteinerung" sind die einfachen Maya-Hütten nie ganz verschwunden. Auf den Plattformen um jeden steinernen Stadtkern herum zur Pheriperie hin war ein Kranz von Häusern und Höfen, in denen die einfache Bevölkerung lebte. Diese Hütten aus vergänglichen Material sind heute längst verrottet und lassen sich nur an Hand der in den Plattformen verbliebenen Löchern für die Holzpfosten nachweisen. Auf Gund von Untersuchungen der Orte und ihrer Umgebung können Forscher die damaligen Einwohnerzahlen der mittelgroßen Mayazentren auf 10.000 - 20.000 schätzen. Große Zentren wie Tikal, Caracol und El Mirador hatten wohl noch mehr Einwohner.

(zum Seitenanfang)

Das Maya-Gewölbe

Kaum eine andere Konstruktion hat die Maya-Architektur so beeinflußt, wie das Kraggewölbe. Die ersten Gewölbe tauchen in der Mitte des 4 Jh. n.Chr. im zentralen Petén in Uaxactún und Tikal auf. Anfangs sind sie nur in Grabkammern zu finden, Ende des 4 Jh. kommen die Kraggewölbe auch bei Tempelgebäuden vor.

Abb. 6: Ein Mayagewölbe in einem Tempel von Palenque


Statisch gesehen ist das Maya-Gewölbe eigentlich gar kein Gewölbe. Die Mauersteine des Gewölbebogens kragen ab einer gewissen Bauhöhe immer ein Stück weiter nach innen, bis sie sich fast berühren. Die verbleibende Lücke wird durch einen Deckstein abgeschlossen. Durch diese Konstruktionsweise sind die Gewölbe vom Mörtel und damit vom Kalksteinvorkommen abhängig. Nur in Verbindung mit Mörtel hält ein solches Gewölbe. In der Gegend von Copán und Quiriga, in der dieses Material nicht ausreichend vorkommt, wurden die Mauersteine in Lehm verlegt. Die Gewölbe hier blieben, auf Grund der geringeren Festigkeit des Lehms, immer etwas "steinerner". Auch die möglichen Spannweiten der Gewölbe sind durch diese Konstruktion stark begrenzt. Die ersten Gewölbe haben nur Weiten bis zu 1 m, später erreichen sie Weiten von 2 - 2,5 m, aber selten mehr.
Wolfgang W. Wurster beschreibt den Arbeitsablauf zur Errichtung eines solchen Gewölbes wie folgt: "...Zuerst mauern die Bauleute die dicken, massiven Außenwände. Wenn diese ausgehärtet sind, das heißt, ihr Kalkmörtel abgebunden hat, beginnt man die schräg nach innen geneigten Gewölbeseiten aufzuschichten und zu vermörteln.

Dabei kann eine instabile Situation entstehen, wenn bei fortschreitender Auskragung der Schwerpunkt des Kraftteils zu weit nach innen verlagert wird, bevor der Mörtel richtig abgebunden hat. Als Hilfsmittel diese instabile Situation während des Bauvorgangs abzumildern, werden horzinontale Holzbalken gedeutet, die als 10-20 cm dicke Rundhölzer in den meisten Maya-Gewölben bis zum heutigen Tag erhalten oder lassen sich an ihren in die Gewölbeschrägen eingelassenen Löcher nachweisen....."
Mit der Zeit wurden die Mauersteine immer schwächer und haben schließlich keine tragende Funktion mehr, sondern dienen nur zur Verblendung. Auch die Raumhöhen nehmen zu und in Uxmal erreichen sie mit 7,5 m Firsthöhe die größten Ausmaße.
Auch das Äußere der Gebäude wurden durch diese Konstruktion beeinflußt. Es ergab sich im Innern eine Teilung in gerade Wandfläche und schrägen Gewölbewände, diese Zweiteilung bestimmte auch die Fassadenform. Eine glatte Wand wurde durch ein Vorkragen der oberen Gewölbezone oder durch einen horizontalen Fries hervorgehoben. Während im Petén die Wände oberhalb des Gewölbeansatzes mehr oder minder stark nach innen geneigt waren und so ein Mansardendach entstand, wurden die Wände in der Nordregion senkrecht nach oben bis zum Gewölbescheitel fortgesetzt und oben mit einem Horinzontalgesims beendet.
Diese Gewölbekonstruktion fand in den unterschiedlichsten Bauwerken Anwendung, so etwa in den Palastbauten, den Hochtempel und Grabkammern, den Türmen und "Triumphbögen" und in unterirdischen Zisternen und Vorratsbehältern.

(zum Seitenanfang)


Quellen:
Leyenaar, Ted J. J.; Bussel, Gerad W. van
1992 Das Ballspiel der Maya, in: Die Welt der Maya, Kunst aus drei Jahrtausenden, S. 177-196
Stierlin, Henri
1966 Architektur der Welt, Die Maya
Sterlin, Henri
1981 Die Kunst der Maya,
Wurster, Wolfgang W.
1992 Die Architektur der Maya, in: Die Welt der Maya, Kunst aus drei Jahrtausenden, S. -